2011-06-14

Montagsbar

Es müssen jetzt mehr als zwei Jahre sein, dass ich mir in den Kopf gesetzt habe, endlich mal zur Montagsbar des hannoveraner Staatsschauspiels zu gehen. Die Veranstaltung findet in der Cumberlandschen Galerie statt und - wer hätte es gedacht - montags. Erst fand ich niemanden, der mich begleiten wollte, dann vergaß ich es regelmäßig oder hatte selber keine Zeit. Gestern dann war es endlich soweit: Ich konnte meinen eigentlich ziemlich unmotivierten Mitbewohner kunstfertig überreden. Es sei wohl so wie NightWash, fragte er und ich sagte ja, wobei man "ja" hier als eine Abkürzung für "ja, vielleicht, vielleicht aber auch nicht, denn ich weiß es nicht, da ich noch nie dort war" sehen sollte. Und schon eilten wir zum Orte des Geschehens.
Die Cumberlandsche Galerie ist ein mehrstöckiges, soweit ich weiß unter Denkmalschutz stehendes Gebäude im Zentrum Hannovers und beherberg unter dem Dach eine Bühne mit Sitzreihen. Im Erdgeschoss ist eine Bar und dort fand auch die besagte Montagsbar statt. Das sieht dann alles übrigens ungefähr so aus, wenn auch nicht gestern:


  
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Gesessen wurde auf der Treppe. Weil ein paar Muttis, die nicht früh genug für Sitzplätze da waren (selbst Schuld eigentlich) doch noch sitzen wollten, sollten wir mal zwischendrin noch eine Reihe schaffen und mit unseren Knien kuscheln, ergo für den Fehler dieser Muttis büßen. Es waren erstaunlich viele Schauspieler des Staatstheaters anwesend, die ich von den paar Stücken, die ich die letzten beiden Spielzeiten (davor gab es eine fast komplett andere Truppe mit anderem Intendanten und übrigens passt hier die Floskel "früher war alles besser" perfekt) gesehen habe und auch sonst war es rappelvoll. Irgendwann begannen die unten endlich mit sowas wie einem Vorspiel, wie es mir schien. Aber nachdem ich realisierte, dass das schon ihr richtiges Programm war, fragte ich mich nicht mehr, wann die denn endlich anfingen, sondern wann sie denn bitte aufhörten. Ich hätte dem Motto des Abends wenigstens etwas Beachtung schenken sollen:


"Ich bin schonmal Weg - Ein Sommerliederabend": Was denkt man sich dabei? Ich habe ehrlich gesagt nicht so viel drüber nachgedacht, da ich unbedingt dahin wollte. Dabei wäre es wenigstens halbwegs offensichtlich gewesen, dass das nichts wird. Gut, geschauspielert wurde nur wenig, nichts Gutes und eine Geschichte dahinter hätte man auch vergeblich gesucht. Ein paar Leute am Strand, manche lesen etwas aus ihrer Lektüre vor - Groschenroman, Praline, AutoBILD, Bild der Frau, während andere musizieren. Gesungen wurde viel, u.a. "La Mer", "Time After Time", "Wicked Game" und auch nicht schlecht. Aber dennoch seltsam, wenn dann Dinge wie "Scheiße, du bist in der falschen Zeile" u.ä. von den Vortragenden dazwischengekichert wurde und das auch nicht selten. Nach spätestens 20 Minuten war ich am leiden. Aber nicht nur ich, denn mein Mitbewohner starrte auch nur verzweifelt vor sich. Ich muss dazu sagen, dass ich selber jemand bin, der besonders dem Theater gegenüber sehr tolerant ist und versucht, hinter allem noch einen Sinn zu erkennen. Aber das war einfach nicht gut. In dem Sinne ja auch kein Theaterstück. Dafür hatte ich dann 10€ gezahlt (5€ je Karte an der Abendkasse, aber ich hatte vergessen, nach Studentenermäßigungen zu fragen), meinem Mitbewohner versprechen müssen, es sei grandios und einen besinnlichen Abend des Lernens sausen lassen. Zu dem psychischen Schmerz kam dann noch bei mir Rückenkrüppel durch die unangenehme Kauerhaltung und hohen Schuhe noch ein physischer.
Zu meinem Erstaunen aber wurde nicht wenig gelacht. Ich verstand die Schauspieler kaum, weil sie mal gerne vor sich hinnuschelten, dennoch waren es auch Leute, die nicht mehr als ich verstanden haben könnten, die lachten. Wenn ich doch etwas verstand was belächelt wurde, fragte ich mich, warum. Der Grund wird wohl nur in den Weingläsern zu finden sein, die fast jeder Gast umklammerte und denen wohl noch einige vorrangegangen sein mussten. Auch werden die Schauspieler im Publikum gute Laune geschauspielert haben, um ihre Schauspielkollegen beim Spiel zu unterstützen und dies das nächste mal bei getauschten Rollen auch einfordern zu können.
Da man von unseren Plätzen unmöglich fliehen konnte, zumindest nicht ohne Aufmerksamkeit hervorzurufen und im Weg sitzende Gäste zu verletzen, beobachtete ich so unauffällig wie möglich die paar Menschen aus dem Publikum, die es für mich zu beobachten gab. Die beiden Schauspielerinnen, die vor uns saßen und von denen ich zusammen zufälligerweise auch eine Karte in unserem Postkartenduschvorhang habe, waren rechte Hungerhaken mit Silhouetten, die man höchstens vierzehnjährigens Mädchen zutrauen konnte. Und das mit Ende 30 und Anfang 60. Die junge Frau am anderen Ende des Raumes hatte eine Frisur samt Haarfarbe, die auch noch mit dem hübschesten Gesicht einfach furchtbar aussah. Warum hatte sie das bloß getan? Und warum sah dann ihr Freund noch so gut aus? War das da ein paar Sitze weiter nicht einmal eine Lehrerin von mir gewesen? Und was sagte die Uhr?
Ich zählte die Minuten, bis die Stunde rum sein sollte und stellte dann mit Entsetzen fest, dass es doch wesentlich länger dauerte. Als es schließlich so aussah, als sei es endlich geschafft, kam doch noch eine befürchtete Zugabe, sodass ich nach dieser so verhalten wie möglich klatschte und schnell das Weite suchte. Aus Angst, sie kämen nochmal wieder.

Das alles könnte einfach nur der Vorführeffekt gewesen sein und das schlechteste Programm der ganzen Montagsbar-Reihe. Ich werde ihr wohl noch eine Chance geben, irgendwann. Bei meinem Mitbewohner allerdings befürchte ich, dass er nach dieser Erfahrung meherere Jahre in nichts Theaterähnliches mehr hineinzubekommen sein wird.

2 comments:

  1. Das klingt schrecklich! Ich war auch erst einmal in der Cumberlandschen Galerie und es war auch nicht besonders gut. Finde die Location auch nicht unbedingt geeignet für Theater.Hoffe dein Mitbewohner ist trotz deiner Befürchtungen nicht allzu abgeschreckt und lässt sich nochmal in ein hoffentliches besseres Stück mitnehmen.

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  2. In einem Stück oder bei der Montagsbar? Ich denke, ich sollte mich da das nächste mal alleine hinschleichen, um nicht noch eine weitere Begleitung zu traumatisieren. Wenn die MB dann gut/okay ist, kann ich ihr noch eine Chance geben und jemanden mitnehmen. Aber ihn? Hm, lieber nur noch in ein richtiges Stück und nur im Schauspielhaus. Das ist dort wohl ein bisschen massentauglicher.

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